Angeregt durch ein Gespräch mit einem Freund möchte ich ein paar Zeilen über ein Thema schreiben, dem im sozio-konversationellen Gebiet durchaus große Bedeutung zukommt: Sprechpausen. Damit meine ich abrupt im Laufe einer zwischenmenschlichen Unterhaltung auftretende Phasen des Schweigens, die gemeinhin als peinlich und unbequem empfunden und durch bestimmte Tätigkeiten gleichsam zu kompensieren versucht werden, von denen das Betrachten der Fingernägeln sowie des Handtelefons am beliebtesten sein dürften. Überschreiten besagte Pausen ein bestimmtes temporäres Toleranzmaß, bestehen im Grunde zwei Möglichkeiten. Entweder wird das Schweigen durch eine sinnlos belanglose Aussage gebrochen und somit eine reguläre Wiederaufnahme der Konversation eingeleitet oder einer der beiden Gesprächspartner geht in die Offensive über und leistet sich einen Fauxpas, indem er das Schweigen thematisiert, das Tabu offen anspricht: "Wir beide haben anscheinend nicht viel Gesprächsstoff" oder "Na, du bist aber heute wieder gesprächig" oder (ein verzweifeltes) "Sag was!".
Worin wurzelt dieses allgemeine Unbehagen, begleitet von Nervositätserscheinungen, angesichts von Gesprächspausen? Wohl mag ein Grund dafür in der Konfrontation mit der neuen, durch das Schweigen geschaffenen, Situation liegen, die den Augenkontakt mit dem Gegenüber nun nicht mehr tunlich erscheinen lässt - deswegen das plötzlich neu aufflammende Interesse an den eigenen Fingernägeln. Doch dürfte darin nicht die alleinige Intention zur Verhinderung von Gesprächspausen liegen. Neben besagten Nervositätserscheinungen reagieren die meisten Menschen auch peinlich berührt; die Situation erfordert also nicht nur die Suche nach einem an des Gesprächspartners statt zu fokussierenden Gegenstand, sondern wird auch als peinlich angesehen. Dafür besteht jedoch keine Veranlassung.
Gesprächspausen sind wichtig und richtig, haben ihre volle Berechtigung, können gar die Unterhaltung bestärkend, intensivierend wirken, wobei letzteres nicht in einem dialektischen Sprechen - besser: Mitteilen - im Schweigen durch Schweigen, sondern als gemeinsame Bestärkung des Seins, als identitäts-, gemeinschafts- und friedenstiftend zu verstehen ist.
"Durch das Reden kommen die Leute zusammen" behauptet der Volksmund und negiert damit eine andere Binsenwahrheit, die Geltung zu beanspruchen ebenfalls in der Lage ist: "Die Sprache ist die Ursache aller Missverständnisse" (und Verwürfnisse). Generell wage ich eine ambivalente Haltung unseres Kulturkreises dem Schweigen gegenüber, das zwar im Vergleich mit dem silbernen Reden gold verspricht, aber andererseits als "Mauer des Schweigens" durchbrochen werden muss, zu konstatieren. Die Abneigung dem Schweigen gegenüber ist im Bereich der Konversation in jedem Fall fehl am Platz, genauso wie die diversen angesprochenen Maßnahmen des Kaschierens der Stille. In diesem Sinne: Mut zur Gesprächspause!