Samstag, Juli 09, 2005

Das konstruktivistisch-kreationistische Credo des Katholizismus

In einem aufsehenerregenden Gastkommentar (siehe auch die ORF-Meldung) in der rennomierten "New York Times" artikuliert Kardinal Schönborn die neue Position der katholischen Kirche zur Evolution. Neu ist daran allenfalls die Vehemenz, mit der die Evolutionstheorie als mit dem katholischen Glauben unvereinbar dargestellt wird. Die Bestärkung des Kreationismus fügt sich hervorragend in das konstruktivistische Weltbild des Katholizismus.

Evolution im Sinne einer gemeinsamen Herkunft, mag richtig sein, aber Evolution im neodarwinistischen Sinn eines ungelenkten und ungeplanten Prozesses von Variation und natürlicher Selektion - ist es nicht.

Die Vorstellung, dass ein übernatürliches Geschöpf Universum wie Gesellschaft "designt" hat, ist - um mit von Hayek zu sprechen - "tatsächlich eine Verkehrung des Prinzips, auf dem die Entwicklung der Zivilisation beruht". Der von Hayek vertretenen Theorie der kulturellen Evolution zufolge ist der Entwicklungsprozess unserer Zivilisation zwar ein (unintendiertes) Ergebnis menschlichen Handelns, aber nicht menschlicher (und schon gar nicht übermenschlicher!) Vernunft (dieses Konzept bezeichnet er als "Kosmos" oder auch "Spontane Ordnung").

Der Schönborn-Vorstoß wird dennoch nicht allzu viel Unheil anrichten. Die absolute Mehrheit der Naturwissenschaftler bezeichnet den Kreationismus als widerlegte Hypothese, für deren Richtigkeit es keine Hinweise gibt. Die Evolutionstheorie dagegen ist aufgrund seiner immensen Anzahl von empirisch-deduktiv belegten Hypothesen in viele etablierte Theorien widerspruchsfrei zu integrieren.