Mittwoch, Juli 06, 2005

Hoffnungslos dumm

Narzist, Serbenfreund, Balkanfaschist: diesen oder ähnlichen Attributen begegnet man seit gut zehn Jahren - nachdem Handke 1996 "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" geschrieben hat - im Zusammenhang mit jedem Artikel über den österreichischen Autor. In einem durch Abart höheren Grades motivierten Anfall fabuliert heute Hans Rauscher, seines Zeichens Aushängeschild des "Standards", von der Notwendigkeit der Verurteilung Handkes nach einem "serbischen Verbotsgesetz":
Wenn Handke die serbischen Verbrechen leugnet und/oder verharmlost, und zwar in serbischen Medien, müsste er nach einem serbischen Verbotsgesetz belangt werden, wenn es eines (und die entsprechende Geisteshaltung) gäbe.

Das Problem besteht darin, dass sämtliche Kritiker keinen einzigen jener Texte gelesen haben, welche sie dann wortgewaltig kritisieren. Peter Handke ist laut eigener Bekundung niemand, der Recht haben, sondern Fragen aufwerfen will. Und so bestehen seine Jugoslawien-Texte auch auschließlich aus Fragen, kulminierend in der Hauptfrage: Kann es für einen religiös und ethnisch motivierten Konflikt eine monokausale Schuldzuweisung geben? Ist es wirklich richtig, dass die Serben - völlig ungeachtet der Tatsache, dass es in ihren Reihen natürlich Personen gibt, die große Schuld auf sich geladen haben - das Volk der Untermenschen und Nationalisten sind?
Die mediale Oppositionshaltung gegenüber Handke liegt freilich noch mehr in dessen Medienschelte begründet, die ihre Berechtigung besitzt. Der Balkankonflikt, der enorme komplexe Strukturen aufweist und sich nur in tiefer Auseinandersetzung mit der Historie dieses Erdteils erschließt, eignet sich nicht für die heutige Fast-food-Informationsgeisteshaltung. Eindeutige Schuldzuweisungen sind gefragt, die uns nach Abdrehen der Zeit im Bild2 beruhigt ins Bett gehen lassen mit dem Wissen, dass die Serben schuld sind. Und zwar einzig und allein. Dafür ist uns keine Theorie zu absurd. Der damalige Verteidigungsminister der BRD, Rudolf Scharping, über Nacht - wie seine ganze Partei und mit ihr der Koalitionspartner - von Friedensengeln zu Kriegspropagandisten mutiert, sprach von Serben, die mit Vorliebe albanische Föten grillen (sic!) würden. Diese und andere Kriegslügen entlarvt Jürgen Elsässer in seinem wichtigen Buch Kriegslügen. Vom Kosovokonflikt zum Milosevic-Prozess.