Donnerstag, Juli 21, 2005

Warum braun rot abgelöst hat

Sozio-psychologisch interessant (inhaltlich traurig) gestaltet sich dieser Thread eines sehr einschlägigen Forums. Der Rechtsextremismus scheint den Linksextremismus als primäres politisches Ventil jugendlich-pubertärer Rebellion abgelöst zu haben. Das ist auch nur allzu verständlich. Der (besonders beim deutschen Nachbarn vorhandene) sogenannte "Gang durch die Institutionen" seitens vieler bekannter Linkssozialisten, die sich nicht selten in Nadelstreifanzügen (wenngleich präferiert ohne Krawatte) auf Regierungsbänken wiedergefunden haben, hat jene in den Augen der für diese Ideologie Zugänglichen wohl untragbar gemacht. Anscheinend übt es auch einen gewissen (sehr perversen, allenfalls dialektisch zu "erklärenden") Reiz aus, als National-Sozialist gleichzeitig (brauner) Sozialist zu sein und gegen den (roten) Sozialismus zu wettern.
Dass Nationalsozialismus und Sozialismus keine entgegengesetzten Weltbilder, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille darstellen, kann selten so gut beobachtet werden wie im aktuellen deutschen Wahlkampf (Stichwort Lafontaine, Schutz vor "Fremdarbeitern" etc.). Siehe bezüglich dieses bereits mehrmals in meinem Blog thematisierten Themas auch hier und hier.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

das einzige, was ewig existieren wird, ist keinesfalls das deutsche sondern das geniale argument - mit dem jedglicher reaktionismus gerechtfertigt wird -, dass früher alles besser gewesen sei. (samt dem schönen und glaubwürdigen wort "tatsächlich")

"...dass früher tatsächlich alles besser und deutscher als jetzt war.
Deswegen kann ich die heutigen Zustände in keinster Weise akzeptieren." (auch wenn "Barbarosso" hier nur als fake gepostet haben könnte).

im übrigen wollte ich anmerken, dass "nur tote fische mit dem strom schwimmen !" ;).

12:19 PM  
Blogger Flaubert said...

Die Attraktivität des National-Sozialismus liegt zu einem Gutteil sicherlich in diesem dem Sozialismus immanenten Atavismus ("früher war alles besser") begründet; vor allem in der Sehnsucht nach der übersichtlichen Stammesgesellschaft, in der jeder jeden kannte und sich auch jeder um jeden kümmerte (schon alleine deshalb, da lediglich dadurch ein Überleben gesichert war). Diese prähistorischen Verhaltensmuster (gemeinsames Sitzen am Feuer, in dem die gemeinsam gefangenen Tiere gleichmäßig aufgeteilt werden) haben sich nachhaltig in unsere Gehirne eingeprägt, können jedoch auf die moderne Welt der Großstadtanonymität nicht übertragen werden.

Der österreichische Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek hat diese Anonymisierung als Problem für die Verantwortungsübernahme gegenüber anderen im "Sozial"-Staat unter dem Titel "Zwei-Welten-Theorem" thematisiert und konstatiert: "Das gesteigerte Verlangen nach Schutz und Sicherheit von seiten der unpersönlichen Macht des Staates ist zweifellos in hohem Maß die Folge des Verschwindens jener kleineren Interessengemeinschaften und des Gefühls der Isolierung des Einzelnen, der nicht mehr mit dem persönlichen Interesse und der Hilfe der Mitglieder der lokalen Gruppe rechnen kann."

Die moderne Zivilisation hat dem Einzelnen größere Unabhängigkeit gebracht, dafür aber die Sicherheit genommen, die ihm die ehemals existenzsichernde persönliche Verbindung mit dem Nächsten geboten hat. "So sehr wir das Verschwinden jener engen Interessengemeinschaften und ihre Ersetzung durch ein weitgespanntes Netz von begrenzten, unpersönlichen und vorübergehenden Beziehungen bedauern, können wir nicht erwarten, daß das Gefühl der Verantwortung für das Bekannte und Vertraute durch ein ähnliches Gefühl für das Entfernte und nur theoretisch Bekannte ersetzt wird."

Die Schlussfolgerung ist logisch; wir müssen lernen, in zwei verschiedenen Welten zu leben - einerseits die Familie und der Freundeskreis, wo die archaischen Verhaltensmuster weiterleben (sollen) und auch ihre Berechtigung haben, andererseits die anonyme Millionengesellschaft, in der nur eines gelten kann, falls wir sie nicht zerstören wollen: "Niemand kann sich wirklich um alle anderen kümmern. (Anm.: gemeint ist damit weiters, dass unter anderem auch aufgrund unser notwendig beschränkten Verantwortung für andere niemand über staatlich legalisierten Raub (=Wegnahme unter Anwendung/Androhung von Gewalt=Steuern) zu diesem Zweck verfolgenden "Sozialleistungen" gezwungen werden darf) Die Verantwortungen, die wir übernehmen können, müssen immer partikulär sein, sie können nur jene betreffen, von denen wir konkrete Tatsachen wissen und mit denen wir uns entweder durch Wahl oder durch besondere Umstände verbunden fühlen. Es gehört zu den fundamentalen Rechten und Pflichten eines freien Menschen, zu entscheiden, welche und wessen Bedürfnisse ihm am wichtigsten erscheinen."

Die Geschichte des "Sozial"-Staats ist daher die Geschichte des zum Scheitern verdammten Versuchs, die Verhaltensmuster der ursprünglichen, "warmen" face-to-face-Gesellschaft auf die moderne, "kalte" und anonyme Großstadtgesellschaft zu übertragen.

(Alle Zitate aus Hayek, Die Verfassung der Freiheit. Hervorhebungen von mir).

1:40 PM  

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