Mittwoch, Dezember 28, 2005

OUTSOURCING


Nach bald einem Jahr des mehr oder weniger regelmäßigen Bloggens sehe ich nun die nächste Entwicklungsstufe erreicht: mein eigenes livejournal. Ob ich die Blog-Dualität aufrecht erhalten und auch hier weiterposten werde, weiß ich noch nicht.

Donnerstag, Dezember 22, 2005

Verbotsgesetz - und kein Ende

Die Causen Kampl, Gudenus und Irving haben das Verbotsgesetz, das (bei besonderer Qualifikation) das Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung mit Freiheitsstrafen bis zu 20 Jahren ahndet, zuletzt verstärkt in den Blickpunkt der medialen Öffentlichkeit gebracht. Den Reigen der redaktionellen Rezeption hatte Christian Ortner in der "Presse" eröffnet, es folgten Michael Fleischhacker (ebenso "Presse") und
Christian Fleck ("Standard"; kostenpflichtig). Allesamt traten sie für die Abschaffung des (weltweit einzigartigen) Verbotsgesetzes ein. In der letzten Wochenendausgabe der "Presse" erhielt der Rechtsanwalt und Professor für Öffentliches Recht
Alfred J. Noll die Gelegenheit, eine flammende Verteidigungsrede für das Verbotsgesetzes zu publizieren. Dabei erfüllt er jedes Klischee rechtspositivistischen Irrdenkens.

In durchgehend beleidigt-larmoyantem Ton bezeichnet Noll seine argumentativen Widerstreiter Ortner ("ein Apostel neoliberaler Befreiung von staatlicher Bevormundung"), Fleischhacker ("der konservative Chefredakteur dieses Blattes") und Fleck ("der linke Soziologe") als "die Herren Abschaffer", "Kreuzritter der 'absoluten' Meinungsfreiheit" und "Rechtsverächter besonderer Güte". In der Forderung nach Abschaffung des Verbotsgesetzes meint Noll gar eine Aufforderung zum Rechtsbruch zu erkennen, da Österreich völkerrechtlich qua Staatsvertrag dazu verpflichtet sei, das Verbotsgesetz aufrechtzuerhalten. Nun könnte man über diese Frage sicherlich seitenlange Rechtsgutachten schreiben. Es soll bei einer kleinen Anmerkung belassen werden. Noll stützt sich auf Art 9 StV 1955:

Auflösung nazistischer Organisationen

1. Österreich wird die bereits durch die Erlassung entsprechender und von der Alliierten Kommission für Österreich genehmigter Gesetze begonnenen Maßnahmen zur Auflösung der nationalsozialistischen Partei und der ihr angegliederten und von ihr kontrollierten Organisationen einschließlich der politischen, militärischen und paramilitärischen auf österreichischem Gebiet vollenden. Österreich wird auch die Bemühungen fortsetzen, aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten, daß die obgenannten Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden, und um alle nazistische oder militaristische Tätigkeit und
Propaganda in Österreich zu verhindern.
2. Österreich verpflichtet sich, alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen, die auf seinem Gebiete bestehen, und zwar sowohl politische, militärische und paramilitärische, als auch alle anderen Organisationen, welche eine
irgendeiner der Vereinten Nationen feindliche Tätigkeit entfalten oder welche die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt sind.
3. Österreich verpflichtet sich, unter der Androhung von Strafsanktionen, die umgehend in Übereinstimmung mit den österreichischen Rechtsvorschriften festzulegen sind, das Bestehen und die Tätigkeit der obgenannten Organisationen auf österreichischem Gebiete zu untersagen.


Ein Gebot, "jede Form der nationalsozialistischen Wiederbetätigung unter Strafe zu stellen", lässt sich daraus schwer destilieren. Explizit ist die Rede davon, das "Bestehen und die Tätigkeit" von faschistischen bzw nationalsozialistischen Organisationen bei Strafandrohung zu untersagen. Das allerdings stellt nicht das "Herzstück" des Verbotsgesetzes dar. Der Rechtsprechung des OGH zufolge ist zur Erfüllung des Tatbestandes einer Wiederbetätigung kein "komplexes Handeln" notwendig, sondern lediglich ein Handeln, das "einzelne für den Nationalsozialistmus typische Ideen zum Ausdruck bringt". Als "typisch nationalsozialistisch" sieht der OGH beispielsweise die Bezeichnung des Staatsvertrags 1955 als "Diktat von Wien" oder die Aufforderung "Kampf gegen die Lüge einer österreichischen Nation".

In weiterer Folge ergeht sich Noll in polemischen Fehlschlüssen:

Also: Schaffen wir die Strafbarkeit des Mordes ab! Ganz offensichtlich ist der Mord seit Jahrtausenden verboten. Was hat es genützt? Immer noch und immer wieder werden Menschen gewaltsam zu Tode gebracht. Unter dem Blickwinkel der Generalprävention erweist sich die Sanktionierung des Mordes als wenig effektiv. Und wissen wir wirklich von einem Mörder, der sich durch seine Bestrafung gebessert hat?


Er vermeint damit, einen logischen Fehler in einem Gedankengang Ortners geortet zu haben, der gemeint hat, dass das Verbotsgesetz keine generalpräventive Wirkung habe. Es ist sicherlich richtig, diese Feststellung Ortners zu kritisieren. Das Problem liegt nicht darin, dass dem Verbotsgesetz keine generalpräventive Wirkung zukomme, sondern darin, dass es Anreize setzt, sich nationalsozialistisch wiederzubetätigen. Das mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, drohen doch eingangs erwähnte Freiheitsstrafen bis zu 20 Jahren. Der aus nachteiligem sozialen Milieu stammende Jugendliche, der gerade seine Lehre abgebrochen hat und nicht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll, denkt jedoch nicht in Paragraphen. Vielmehr stellt er sich die Frage: "Wenn der Staat ein solches Interesse daran hat, Holocaustleugner wegzusperren, muss an diesen Theorien ja doch etwas dran sein. Wenn sie völlig blödsinnig wären, müsste sie man nicht dafür bestrafen." Schon wittert er eine große Verschwörung, hinter welcher nur die Juden stehen können, hat sich den Kopf kahl geschoren, Springerstiefel gekauft und den Hitlergruß vor dem Spiegel perfektioniert. Gut gemeint ist eben häufig das Gegenteil von Gut. Das Verbotsgesetz löst keine Probleme, genauso wie man sich generell von der Idee verabschieden sollte, mit dem Strafrecht könne man soziale Konflikte lösen oder entschärfen.
Auf das entscheidende Argument contra Verbotsgesetz konnte Noll, der noch weitere völkerrechtliche Übereinkommen zitiert, aus denen er eine vom Verbotsgesetz gar unabhängige "direkte" Strafbarkeit nationalsozialistischen Handelns in Österreich deduziert, als Rechtspositivist freilich nicht eingehen; in einem (materiellen!) Rechtsstaat werden Dummheiten und Lügen mit Argumenten bekämpft, aber es bleibt den Dummen unbelassen, ihre Theorien weiter zu vertreten (solange sie sie nicht in die Tat umsetzen und Eigentum, Gesundheit, Leben eines anderen verletzen). Das Verbieten und Bestrafen von Lügen und Unwahrheiten ist ein zutiefst totalitärer Zug. Ein Rechtsstaat, der sich zur Bekämpfung totalitären Gedankengutes totalitärer Methoden (und nichts anderes ist das Einsperren aufgrund freier Meinungsäußerung) bedient, führt sich selbst ad absurdum. Freiheit schließt eben auch die Freiheit mit ein, das Falsche zu tun, so verachtenswert revisionistische Tätigkeiten und Äußerungen zweifellos sind. Schneidet sie, ignoriert sie, grüßt sie nicht mehr etc, aber: Freiheit - auch für die Deppen.

Montag, Dezember 19, 2005

Tempo 160 rechtswidrig?

In der typisch österreichischen Posse über die Einrichtung von Teststrecken auf österreichischen Autobahnen, auf denen statt der üblichen 130 satte 160 km/h als höchstzulässige Geschwindigkeit gelten sollen, vermeldet der ORF auf seiner Startseite das nächste Highlight: Dem bekannten Verfassungsrechtler Öhlinger zufolge ist Tempo 160 rechtswidrig. Er stützt sich dabei auf § 43 Abs 4 Straßenverkehrsordung (StVO):
Wenn es der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs dient und aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs keine Bedenken dagegen bestehen, kann die Behörde durch Verordnung die gemäß § 20 Abs. 2 erlaubten Höchstgeschwindigkeiten erhöhen.

Der dadurch erzielte juristische Erkenntnisgewinn dürfte sich jedoch in sehr engen Grenzen halten. Es geht doch gerade um die Frage, ob Tempo 160 tatsächlich die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigt. Für Öhlinger ist das - unver Verweis auf "zahlreiche Experten" - evident. Gorbach wiederum wird es ein Leichtes sein, seinerseits "zahlreiche Experten" mit gegenteiliger Ansicht anzuführen. Der in eventu angerufene VfGH darf dann würfeln.

Donnerstag, Dezember 15, 2005

Weihnachten - worum es gehen sollte

* (Fast) die ganze Welt feiert Weihnachten und gedenkt dabei der Geburt Jesu. Der Ursprung dieses Fests jedoch ist gänzlich weltlicher Natur und in der modernen Form eine amerikanische Erfindung des 19. Jahrhunderts.

In der Essenz geht das Fest auf die archaischen Sonnwendfeiern zurück, die Menschen schon immer begangen haben, als die Tage wieder länger wurden. Die Römer kannten die Saturnalien. Die Christen hatten für diese Feiern nur Verachtung übrig. Sie waren zu jeder Jahreswende damit beschäftigt, an das Ende der Welt zu denken und verurteilten jede Form "weltlicher" Vergnügungen. Mit der Zeit kamen die Christen jedoch zu der Erkenntnis, dass gegen diese weltlichen Untriebe nicht anzukommen sei und entschieden sich, das Fest zu stehlen, wie Leonard Peikoff treffend formuliert: "If you can't stop them, join them". Im Gegensatz zu den bereits damals bekannten Tatsachen datierten sie die Geburt Jesu auf den 25. Dezember und usurpierten die weltlichen Sonnwendfeiern. Dennoch blieben religiöse Zweifel, wie der Weihnachtsfeiertag, in dessen Mittelpunkt Lebensfreude und Bejahung zum Leben steht, mit den christlichen Anspruchsdogmen der Entsagung, des Verzichts, der Selbstaufopferung und des Jenseitsdenkens zu vereinbaren sei.

Das 19. Jahrhundert sollte den Charakter des Festes dann entscheidend verändern. Die Entfaltung des menschlichen Potentials in Wissenschaft und Wirtschaft bewirkte einen nachhaltigen Modernisierungs- und Zivilisierungsschub. Durch den Prozess der Industrialisierung wurden Menschen erstmals in der Geschichte in die Lage versetzt, aus ihrem determinierten sozialen Status auszubrechen und sich selbst aus eigener Kraft nach oben zu arbeiten. Der endgültige Triumph rational-logischen Denkens über religiös-mystischen Aberglauben führte zu unglaublicher Wohlstandsvermehrung. Letzeres hatte zur Folge, dass das gegenseitige Beschenken zum zentralen Inhalt des Weihnachtsfests wurde. Als Personifizierung dessen gilt Santa Claus, der von Christen als Antichrist denunziert wurde, weil er den Charakter von Weihnachten als religiöses Fest schnell unterlief. Die Amerikaner ließen sich jedoch nicht beirren. Santa Claus steht in fundamentalem Gegensatz zur christlichen Ethik. Er verlangt nicht von den Reichen, dass sie sich ihres Reichtums schämen und durch Sühne Abhilfe leisten müssen. Er behandelt vielmehr reiche und arme Kinder gleich. Geleitet von Gerechtigkeit gibt Santa lediglich den guten Kindern und nicht den bösen - unabhängig von deren sozialen Status.

All das, was wir heute mit Weihnachten assoziieren - Weihnachtslieder, Dekorationen -, basiert auf weltlichen Bräuchen, die geleitet sind von der Freude am Leben und dem Verfolgen des Glücks - nicht von Entsagung, Selbstaufopferung und Verachtung sämtlichen weltlichen Glücksstrebens, wie die Christen es postulieren. Never accept an unearned guilt; so take the Christ out of Christmas.

* (Basierend auf dem Essay "Why Christmas Should Be More Commercial" von Leonard Peikoff.)

Mittwoch, Dezember 14, 2005

Blabla: Blaha, Barbara.

Die ÖH-Vorsitzende in einem Interview auf die Frage, wie man den Frauenanteil unter Universitätsprofessoren steigern könnte:

Eine ganz drastische Maßnahme wäre, alle Professoren-Stellen ab jetzt, nur noch von Frauen zu besetzen, bis die fünfzig Prozent erreicht sind. Das wäre eine ganz radikale Maßnahme, die man aber setzten könnte, wenn man das wollte. Die jetzigen Gleichbehandlungs-Ausschüsse funktionieren zwar gut, sind aber allein nicht ausreichend.

Wikipedia zufolge liegt der weibliche Studentenanteil in Österreich in geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen bei 77%. Ich fordere einen Aufnahmestopp weiblicher Wesen, bis 50:50 erreicht wird. Blaha wird dem wohl entgegenhalten, dass es sich bei diesen 77% in (ÖH-)Wirklichkeit gar nicht um (ÖH-)Frauen handelt, weil sie von der Übermacht männlicher Professoren patriarchisiert werden.

Dienstag, Dezember 13, 2005

Aber hier leben? - Ja, bitte

15 Monate in Wien. Zeit für keine Bilanz. Stattdessen nur das eine oder andere in die Sinne Fallende daneben geschrieben:


der Zeitungsverkäufer an der Straßenecke im 20., seine Produkte im gelben Kronenzeitungs-Dress bei roter Ampel den Autofahrern feilbietend, Kralshüter des archaischen Handels;

die Stammtisch-Künstlerriege im Beisl in der Neubaugasse;

die slowakische Kellnerin beim Schnitzlwirten, die statt des Apfelsaftes auch schon mal ein Viertel Rotwein versteht und serviert;

der Pizzabäcker in der U-Bahnstation Schottentor, immer den Frauen nach(g)eifernd und -schreiend (und genügend drehen sich um);

der mich stets anlächelnde Verkäufer im U-Bahn-Imbiss Heiligenstadt, der sein Haupt kürzlich kahl geschoren hat (und ich lächle immer zurück);

die Glückskekssprüche vom Take-away-Chinesen (aktuell: "Eine Begegnung lässt Ihr Herz höher schlagen");

die Pelztierdemonstranten vor Peek&Cloppenburg;
die Mariahilferstraße, durchaus auf Augenhöhe mit den großen Pariser Prachtavenuen (am schönsten: am Sonntag);

die Billa-Verkäuferin, die mir anstatt des normalen Leberkäses Käseleberkäse einpackte (Fraßfall);

der Kahlenberg, mein Hausberg;

die Bäckereikette "Der Mann", die mir keine Treuepunkte mehr gibt, weswegen meine Gesetzeskodices unverziert bleiben müssen;

der Regen, Wiener Anomalie;

die unzähligen Bankomaten außer Betrieb;
der Blick der Bankangestellten, als ich einen Erlagschein beim Schalter begleichen will;
mein Blick, als sie mich auf den Automaten verweist;

aberwitzig konstruierte Gebäude, darunter Wirtschaftsuni, Juridicum und Apollo-Kino an der Spitze;

das Ziehen der Startnummer im Magistrat, realisierend, dass MA 2412 tatsächlich existiert:

die langen Spaziergänge, nie (ver)zweifelnd, immer nur (er)hoffend
die dennoch verhofften Enttäuschungen, enttäuschten Hoffnungen (gibt es das: ein Täuschen im Hoffen?);

eine Entscheidung hinausschiebend, die nicht sein darf (oder doch sein soll, sein muss?);


die U1, U2, U3, U4, U6, 39a, 11a, 49, 42.

Sonntag, Dezember 11, 2005

Keine Logik in der Liebe?

"What a silly thing Love is," said the Student as he walked away. "It is not half as useful as Logic, for it does not prove anything, and it is always telling one of things that are not going to happen, and making one believe things that are not true. In fact, it is quite unpractical, and, as in this age to be practical is everything, I shall go back to Philosophy and study Metaphysics."

So he returned to his room and pulled out a great dusty book, and began to read.

(Oscar Wilde in "The Nightingale and the Rose")

Via Sascha

Mittwoch, Dezember 07, 2005

Juristisches vs ökonomisches Denken

Für (die meisten) Juristen unvorstellbar: Ein Gesetz zu erlassen, hat nicht automatisch zur Folge, dass sich die Normadressaten dementsprechend verhalten und kann zu gänzlich unerwünschten Ergebnissen führen. In keinem anderen österreichischen Gesetz tritt dies deutlicher zutage als im "Konsumentenschutzgesetz".
Es ist ein alltäglicher Fall: Handykauf in einem Handyshop eines beliebigen Anbieters. Nach einem Jahr bleibt der Display schwarz. Der Handyshop hat für Mängel, die in den ersten zwei Jahren nach Übergabe auftreten, kraft gesetzlicher Gewährleistungsvorschriften einzustehen. Unabhängig von diesem gesetzlich eingeräumten Recht gewähren die meisten Unternehmern ihren Kunden eine Garantie, die verglichen mit der (2002 von sechs Monaten auf zwei Jahre ausgedehnten) Gewährleistungsfrist in der Regel einen deutlich geringeren Zeitraum umfasst. Vereinfachend lässt sich feststellen, dass nach alter Rechtslage (6 Monate Gewährleistung) vor allem für den Kauf elektronischer Geräte die gesetzliche Gewährleistung eine untergeordnete Rolle gespielt hat, da die Garantie normalerweise die ersten sechs Monate abdeckt, was nach neuer Rechtslage typischerweise nicht mehr der Fall ist.
Wer bereits einmal versucht hat, sein neu gekauftes Handy aufgrund eines Defekts innerhalb der ersten zwei Jahre nach Kauf im Handyshop umzutauschen, wird an vorderhand an der Richtigkeit der obenstehenden Ausführen zweifeln. Der Verkäufer verweist auf die Garantie, ist diese abgelaufen, habe man Pech gehabt. Pocht man auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte (was relativ selten vorkommt, da sich dieses Rechtsinstitut keiner allzu großen Bekanntheit in der Masse erfreut) und wird man lästig, gesteht der Verkäufer ein, dass man tatsächlich dieses Recht hat. Er habe jedoch die interne Weisung erhalten, dass keine Gewährleistung gegeben wird. Je nach Unternehmen bedarf es einer etwas lauteren Stimmte oder eines netten Briefes, um das gesetzliche Recht dennoch in Anspruch nehmen zu können. Weniger hartnäckige Zeitgenossen werden den Shop wütend verlassen, aber in der Regel nicht auf die Idee kommen, wegen 100 Euro zu klagen. Der Grund für diese Unternehmenstaktik liegt freilich darin begründet, dass Gewährleistung für den letzten Unternehmer in der Kette sehr teuer kommt. Im Vertragsverhältnis mit seinem Belieferer schließt der Handyshop sämtliche Gewährleistungsrechte aus, um die Ware relativ billig zu bekommen und um sie mit entsprechender Gewinnspanne weiter zu verkaufen. Das Interesse, dem Konsumenten ein über die Garantie hinausgehendes Recht einzuräumen, hält sich daher verständlicherweise in sehr engen Grenzen. Der Gesetzgeber wollte diesem Problem in Verbrauchergeschäften durch § 9b KSchG verbeugen. In dessen ersten Absatz heißt es:

Verpflichtet sich ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher, für den Fall der Mangelhaftigkeit der Sache diese zu verbessern, auszutauschen, den Kaufpreis zu erstatten oder sonst Abhilfe zu schaffen (Garantie), so hat er auch auf die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Übergebers und darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt wird. Der Unternehmer ist an die Zusagen in der Garantieerklärung und an den in der Werbung bekannt gemachten Inhalt der Garantie gebunden.


Der Unternehmer, der dem Konsumenten eine Garantie gewährt, hat demnach darauf hinzuweisen, dass gesetzliche Gewährleistungsrechte dadurch nicht beeinträchtigt werden und auch nach Ablauf der Garantie zustehen. Er wird also dafür bestraft, dass er dem Verbraucher zusätzlich privatautonom eine Garantie einräumt. Das erscheint trotz einer gewissen Hirnrissigkeit im Ansatz prima facie ein taugliches Mittel darzustellen, um der gängigen Praxis einen Riegel vorzuschieben. Dabei wird jedoch völlig verkannt, dass man mit dieser Bestimmung einen Anreiz setzt, welcher der Zielsetzung völlig zuwiderläuft. Jeder Jurist bei Verstand müsste einem Unternehmer (der in einem weniger kompetitiven Gewerbe tätig ist) bei dieser Rechtslage dringend raten, keine Garantie mehr zu geben, damit auch nicht mehr auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte hingewiesen werden muss - mit dem Ergebnis, dass Otto Normalverbraucher schlechter dasteht als (je) zuvor: Garantie bekommt er keine mehr, weil Unternehmer nicht juristisch, sondern rational-logisch denken und auf gesetzliche Anreizstrukturen reagieren. Gewährleistung bekommt er auch nicht, weil er entweder nicht weiß, dass es so etwas gibt oder weil er sich vom Angestellten im Handyshop abservieren lässt.
Als ultima ratio wird in solchen Problemfällen oft das Erlassen saftiger Verwaltungsstrafen erwogen. Dies käme auch hier infrage, um einen Anreiz für Unternehmen zu schaffen, den Kunden gesetzliche Gewährleistungsrechte nicht vorzuenthalten. Da es jedoch keine actio ohne reactio gibt, ist das nicht der Weisheit letzter Schluss. Der letzte Unternehmer in der Kette wird daraufhin im Verhältnis zu seinem Belieferer die Gewährleistungsrechte nicht mehr ausschließen, damit er sich bei Inanspruchnahme durch den Kunden infolge von Gewährleistung bei seinem Vordermann regressieren kann. Der Belieferer wiederum wird nicht bereit sein, zu diesen Konditionen die Handys zum selben billigen Preis zu verkaufen, zumal er das Risiko miteinberechnen muss, vermehrt aufgrund von Gewährleistungsfällen regresspflichtig zu werden. Folge für den Verbraucher: der Handypreis steigt. Aber Hauptsache, er ist "geschützt" worden ...

Dienstag, Dezember 06, 2005

Beim Friseur III

Nach ausführlicher Beratung und Sondierung der Ratschläge habe ich mich letzten Donnerstag wieder in haarige Obhut begeben, wobei der Friseur eine Glatze hatte. Aber der Reihe nach.
Meine Wahl fiel auf Bundy-Steinmetz in der Landstraßer Hauptstraße. Ausschlaggebend war in erster Linie die Adresse, da ich die Gegend um den 3. und 4. sehr gerne habe. So telefoniere ich einen Tag zuvor zwecks Terminanbahnung und muss auf die Frage, wer mein persönlicher Favorit im Salon sei, betreten schweigen. Schlussendlich wird mir von meinem Gegenüber "Alexis" zugeteilt. Leider vergesse ich donnerstags, meinen Stadtplan mitzunehmen und bin beim Hinweg auf Unterstützung aus der Bevölkerung angewiesen. Schnurstracks frage ich einen Schaufensterpassanten, ob ich mich zumindest in der Nähe von "Bundy" befinde. "Bundy" spreche ich dabei freilich mangels besseren Wissens im Gedanken an den vornehmen Sir in der schrecklich netten Familie aus. Dies amüsiert den Adressierten, der mir freundlicherweise den Weg zeigt und mich über die richtige Aussprache unterrichtet. Dort angekommen entpuppt sich Alexis als Latin-lover-Typ mit kahlgeschorenem Haupte. Er begrüßt mich per Handschlag und ich bin froh, dass darauf keine Wangenküsse folgen. Gemeinsam versuchen wir, die Richtlinien des Haarschnittes festzulegen. Ich bitte um einen Scherenschnitt sowie Rasierer-Abstinenz und ernte erfreulicherweise keine sonderbaren Blicke, sondern (Ein-)Verständnis. Alexis fasst kurz ins Auge, die Haare so zu schneiden, dass sie vorne durcheinander liegen, verwirft diesen Gedanken jedoch sogleich selbst, ohne dass es meines Widerspruches bedarf. Während des Schneidens legt er sehr viel Bedacht auf sein eigenes Äußeres und entfernt jedes Haar, das sich auf seinem schwarzen Hemd festsetzt, unverzüglich. In einem Nebensatz macht er mich auf einen vor mir liegenden Zettel aufmerksam, den ich bei Gelegenheit ausfüllen solle. Ergriffen davon, wie er mir nicht nur die Haare, sondern ohne Aufpreis durch sehr geschicktes Hantieren mit dem Duschkopf auch mein T-Shirt mitwäscht, schenke ich dem Zettel keine Beachtung. In welcher Branche ich tätig sei, will Alexis wissen. Nach meiner Antwort "Im studentischen Bereich" hält er zwar kurz inne, wechselt jedoch nicht (!) ins joviale Du. Nach getaner Arbeit widme ich mich noch dem Zettel. Meinen Namen soll ich darauf verewigen und angeben, wie ich den Haarschnitt haben will. Evidentermaßen macht es wenig Sinn, diese Dinge im nachhinein auszufüllen, ich tue es dennoch und trage beim Schnitt-Wunsch ein "wie gehabt" ein. Alexis grinst. Ich überlege kurz, ob dieser Zettel die mündliche Besprechung über die Art des Haarschnittes überflüssig machen soll, finde Gefallen an dieser Idee und werde sie beim nächsten Mal austesten. Dann allerdings ohne Bericht, denn die kleine Friseurs-Serie in diesem Blog scheint sein Ende gefunden zu haben. Wer sich zwei Mal vom selben schneiden lässt, gehört schließlich zum Establishment.
Zum Nachlesen:
Teil 1
Teil 2