Mittwoch, Oktober 12, 2005

Schilys Abschiedsgeschenk

Der scheidende deutsche Bundesinnenminister Otto Schily wurde aufgrund seiner restriktiven Haltung in Sachen "Antiterror" und der damit verbundenen Aushöhlung der (sowieso nur noch rudimentar) vorhandenen Freiheitsrechte bekannt. Sein Abschiedsgeschenk: ein Kreuzzug gegen die Pressefreiheit.

Die FDP fordert eine Sondersitzung des Bundestags, Journalistenverbände sind erzürnt. Was war passiert?
Ende September geriet mit Bruno Schirra ein Autor des konservativen Monatsmagazin "Cicero" ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft. In seiner April-Ausgabe veröffentlichte das Magazin einen Artikel, in dem Schirra aus internen Aufzeichnungen des Bundeskriminalamts zitiert. Thema: Finanzierung islamistischer Terroristen. Straftatbestand: Geheimnisverrat. Während Schirra in Israel weilt, durchsucht das Landeskriminalamt sein Haus in Berlin. Via Telefon wird ihm auszugsweise der Hausdurchsuchungsbeschluss verlesen. Gleiche Zeit, gleiches Spiel, anderer Ort: auch die Cicero-Redaktionsräume in Potsdam werden wegen des Verdachts der Beihilfe zum Geheimnisverrat durchforstet. Dort stößt man zwar auf anwesende Redakteure, aber auf kein geheimes BKA-Dokument. Markus C. Hurek berichtet:

Die Festplatte des Cicero-Redakteurs, der regelmäßigen Kontakt zu Bruno Schirra hält, wird komplett kopiert. Dass sich darauf der gesamte E-Mail-Verkehr, unveröffentlichte Manuskripte und Planungsunterlagen der Redaktion befinden, nehmen beide Staatsanwälte achselzuckend in Kauf. Sie versichern noch, dass ihre Aktion so diskret geplant und durchgeführt worden sei, dass die Öffentlichkeit davon nichts erfahre. Doch nur Minuten später ruft der Spiegel an, der die Nachricht von der Durchsuchung wenig später online meldet.


Weder in Potsdam noch in Schirras Haus also werden die Beamten fündig. Das hindert sie freilich nicht, anderes Material mitzunehmen:

Der Großteil dessen, was die Kollegen von der Wasserschutzpolizei nach acht Stunden in fünfzehn Kisten aus dem Haus schaffen, wird später als so genannter „Zufallsfund“ protokolliert werden. Denn mit dem Top-Terroristen Zarqawi haben Akten über Max Strauß, Spürpanzer-Geschäfte, Leuna-Machenschaften und Waffenlobbyisten-Details nichts zu tun. Kollegen, die noch am gleichen Tag die ausgeräumten Aktenregale in Schirras Arbeitszimmer sehen, äußern den Eindruck, die Suche nach dem Zarqawi-Dokument könnte lediglich der Anlass für den Besuch gewesen sein. Zumal keine der beschlagnahmten Akten, das Protokoll hält 100(!) Positionen fest, Material über den Terroristen enthält. Dass Schirra- an jenem Morgen nicht im Haus ist, sondern unter den Augen von BKA-Beamten in Tel Aviv weilt, halten sie nicht für einen Zufall.


Man kann nur hoffen, dass "Cicero" nach diesen Erfahrungen seine staatstragende Blattlinie in Zukunft überdenken wird...