Montag, September 19, 2005

Über echte und unechte Wiener

Nach der Wahl (Deutschland) ist vor der Wahl (Burgenland, Steiermark, Wien). Glücklicherweise versüßen uns auch die Parteien in der Bundeshauptstadt die Wartezeit für den nächsten Urnengang traditionellerweise mit inhaltlichen Zumutungen und design-graphischen Verbrechen - mit Wahlplakaten. Während die SPÖ auf Wohlfühl-Sozialismus setzt ("Wählen wir nette Jobs" - wieso nicht auch schönes Wetter?), die ÖVP die höchste kommunale Abgabenquote Österreichs kritisiert (und gleichzeitig das "erste Kindergartenjahr gratis" propagiert) und die Grünen "Wiener Mut" (statt Wiener Blut?) fordern, besinnt sich die FPÖ auf alte Werte und pflastert die Stadt mit folgenden Slogans zu: "Damit der echte Wiener nicht untergeht" und "Arbeit statt Zuwanderung". Integraler Bestandteil eines jeden FPÖ-Wahlplakates ist der Stephansdom als Wahrzeichen Wiener Kulturgutes, der grafisch mit einer Moschee kontrastiert wird. Der Stephansdom - und damit Wien -, so die Botschaft, läuft Gefahr, der "Überfremdung" zum Opfer zu fallen. Kurz: die Blauen spielen wieder einmal die "Ausländer-Karte".

Meines Erachtens gilt es bei diesem Thema, zumindest zwei Ebenen auseinanderzuhalten; einerseits jene, die ich in Ermangelung eines besseren Ausdrucks die "Meta-Ebene" bezeichnen möchte, andererseits die politische Dimension. Die Wurzel des Ausländerhasses liegt mE nicht in der Angst vor dem Fremden, sondern in der Akzeptanz des Kollektivismus als Grundlage für Werturteile über Menschen; Menschen werden nicht in ihrer Einzigartigkeit und anhand ihrer konkreten, tatsächlichen Eigenschaften beurteilt, sondern nach Maßgabe der Staats- oder Kultur-Zugehörigkeit. Darauf basiert der Rassismus, aber ebenso der politisch korrekte Multikulti-Wahn, der in jedem Ausländer qua Ausländer einen Engel sieht und es als rassistisch qualifiziert, wenn ein Zeitungsartikel über einen Raubüberfall die Nationalität des Täters enthält (weil es eben im konkreten Fall ein Drogen dealender Nigerianer war). Die Frage lautet nicht: blinder Ausländerhass oder blinde Ausländerliebe (die sich dann meistens in einem Inländerhass manifestiert), sondern: Vernunft oder Unvernunft. Eine Beurteilung des einzelnen "Ausländers" = Menschen nach kollektiven Gesichtspunkten ist ein Widerspruch in sich selbst - beurteilt werden können stets nur individuelle, tatsächlich existierende Vorkommnisse und Personen.
"Den Österreicher" gibt es jedoch ebenso wenig wie "den Serben" oder "Tschuschen", womit ich zur zweiten Ebene überleiten möchte. Nationen sind Fiktionen. Die "österreichische Nation" ist ebenso eine Fiktion wie die "deutsche" oder "britische" oder "das Volk" oder "die Gesellschaft" [an dieser Stelle sei vorsorglich der Hinweis angebracht, den ich "als Österreicher" bei Ablehnung der österreichischen Nation geschichtsbedingt zu machen genötigt bin: nein, ich spreche nicht einer "großdeutschen Wiedervereinigung" das Wort...]. Weder Volk noch Gesellschaft gibt es als integriertes Ganzes - es existieren lediglich Männer, Frauen, Kinder.
Nun lässt sich registrieren, dass Ausländer in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gleich Ausländer bedeutet, sondern zwischen "guten" und "schlechten" unterschieden wird. Mit dem Terminus "Ausländer" werden in erster Linie Slawen und Afrikaner assoziiert - kaum evoziert der Begriff "Ausländer" das Bild eines Amerikaners, eines Deutschen oder eines Schweizers. Logisch, wird der "echte Wiener" einwenden, schließlich sind es die "Kanaken" und "Neger", die in "unsere Sozialsysteme einwandern", sich auf unsere Kosten vermehren und ein schönes Leben führen. Der politisch korrekte Multikulti-Fan wird dieser Behauptung womöglich anderslautende Statistiken gegenüberstellen (die in der Regel genauso gefälscht sind wie jene des echten Wieners) oder argumentieren, dass "Bedürftigkeit keine Frage der Nationalität" sei.
Im entscheidenden Punkt sind sich die beiden jedoch einig: es gibt ein Recht, auf Kosten eines anderen zu leben. Niemals käme einer von ihnen auf die Idee, dass Raub (die Wegnahme von Sachen/Geld unter Androhung oder Anwendung von Gewalt) Raub bleibt, auch wenn die Täter wechseln und das Opfer statt dem schlecht-rasierten (schon wieder ein Kollektivismus bzw. ein Vorurteil!) privaten Verbrecher dem Finanzbeamten im Nadelstreif-Anzug gegenübersteht; wenn der Raub "Steuer", "Abgabe", (Sozial-)"Versicherungsbeitrag" oder sonstwie genannt wird; wenn der vorgehaltene Gewehrlauf des privaten Verbrechers gegen den Steuerbescheid des Staates eingetauscht wird; wenn bei Zahlungsverweigerung das Opfer nicht erschossen, sondern eingesperrt wird und wenn im Gegensatz zum privaten Raub dem staatlichen regelmäßig eine parlamentarische Abstimmung über das Ausmaß des Raubgutes vorausgeht. Die Politik ist auch hier nicht die Lösung, sondern das Problem. Die Beschränkung des Sozialleistungsanspruchs auf Inländer ist nicht die Lösung - die Sozialleistung ist das Problem. Die Lösung: Individualismus statt Kollektivismus, Freiheit statt Sozialismus, (Eigentums-)Recht statt Raub. Jeder Mensch soll auf jedem Flecken der Erde sein Glück versuchen dürfen. Das Recht auf Glück schließt jedoch nicht den Anspruch gegenüber den dort Einheimischen auf Finanzierung dieses Glücks ein. "Right to the pursuit of happiness" und nicht "right to happiness" - die amerikanischen Gründungsväter waren präzise; tun wir es ihnen gleich, liebe echte und unechte Wiener.

1 Comments:

Blogger Stentor said...

Ich bin der FPÖ insofern dankbar, als sie das bis dato unterhaltsamste Wahlplakat an die Plakatwände kleistern ließ (eben besagtes, auf dem Häupl und Strache einander gegenübergestellt werden).

11:48 AM  

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