Versuch über die geglückte Liebe
"Bürgerliches Beziehungsmodell" bezeichnet in diesem Kontext nicht allein die Ehe, wenngleich deren historisches Scheitern angesichts der aktuellen Scheidungsraten evident erscheint, sondern auch und generell das schlichte Zusammenleben zweier Menschen im selben Haushalt, tagein, tagaus. Liebe als "absolute Hingabe an das absolut Einzigartige" (Ayn Rand) lässt sich nicht institutionalisieren, in alltägliche Bahnen lenken und konservieren, ohne dass ihr wesentlicher Charakter verloren geht - die Einzigartigkeit, das Nicht-Alltägliche. Angesprochen auf deren Beziehung räumen jahrzehntelang verheiratete (oder ohne Trauschein zusammenlebende) Paare zumeist ein, dass die anfängliche Liebe der Gewöhnung des einen an den anderen und einem Gefühl der Sicherheit durch den anderen gewichen ist. Nicht zuletzt aufgrund des zweiten Aspekts lässt sich der Siegeszug der Ehe im Laufe der Jahrhunderte erklären, bietet sie doch vor allem ökonomische Sicherheit und solide Bedingungen zur Aufzucht des Nachwuchses; ein Sieg, der meiner Meinung nach einem Phyrrus-Sieg gleichkommt, da die Ehe mit der Zeit ihre Existenzgrundlage, die Liebe, erodiert.
Meine Überlegung des Sich-Nahe-Seins im Getrennt-Sein basiert auf Beobachtungen an Bahnhöfe und Flughäfen, die als Paradebeispiele für Orte des Abschiednehmens und des Wiedersehens dienen. Kaum vermag man an anderen Orten eine ähnlich umfassende emotionale Dichte der menschlichen Begegnungen zu konstatieren. Diese Beobachtung kummuliert in meiner These, wonach Liebe nichts anderes ist als die Summe allen Abschiednehmens und Wiedersehens. Der Volksmund sagt: "Lieben heißt loslassen zu können" und spielt damit zumeist auf dramatische Abnabelungsprozesse - wie dem Flüggewerden des Kindes und dem damit verbundenen Auszug aus dem elterlichen Haus - an. Ich sehe dieses Bonmot aber eben nicht auf diese außerordentlichen Wendepunkte begrenzt, sondern als allumfassende Weisheit und würde im Sinne einer Erklärung folgende Modifikation vorschlagen: "Liebe heißt loslassen und wieder zugreifen zu können".
Weder hat meine hier konzis vorgestellte Konzeption die Intention, Fernbeziehungen zu romantisieren noch die ideologische Absicht, mit der Ehe die bürgerliche Gesellschaft an sich zu kritisieren. Das durch eine Zerstörung der familiären Einheit bedingte Vakuum wird stets vom Staat ausgefüllt werden und bietet diesem immer neue und subtilere Formen der Indoktrinierung (vergleiche in diesem Zusammenhang die Diskussion um die sogenannte Ganztagesschule). Möglicherweise mag die Ehe also tatsächlich die bestmöglichen Voraussetzungen zur Heranziehung freier und verantwortlicher Individuen bieten. Nichtsdestotrotz ist sie zum Scheitern verurteilt, vermag sie die Liebe in ihrem Rahmen nicht aufrechtzuerhalten, was meiner Meinung nach aus systemimmanenten Gründen unmöglich anmutet.
2 Comments:
die Gefühle des Wiedersehens und des Abschiednehmens sind doch nicht die Liebe selbst, sie sind doch viel eher Folgegefühle der Liebe. liebe hat viel erstrebenswertere gefühle auf lager...
liebe ist per definitionem ein positives Gefühl und aus verständlichen Gründen will ein Mensch positive Gefühle aufrechterhalten; da Liebe allgemein einem menschen gegenüber besteht, hat man so natürlich das Bedürfnis Nähe zu diesem Menschen (dem sinnbild der liebe) zu suchen. Wenn man das absichtlich nicht tut (also bewusst distanz aufbaut) verliert die liebe so ihren charakter als positives Empfinden, wonach man wohl nicht mehr von Liebe sprechen kann...
zuletzt gilt sicher auch hier: Probieren geht über studieren ;) was macht dich glücklich? Nosce te ipsum et reperibis vertitatem!
Ich verbessere ich mich auf ...reperibis veritatem! Mein Schullatein löst sich langsam doch auf ;)
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